Castiel Voltaire
Früher habe ich wirklich ständig mit diesem Kerl zusammengehangen, aber jetzt…seit ich das erste Mal bei Nate war, habe ich ihm nicht mehr viel Beachtung geschenkt, weil ich ständig mit meinen Gedanken wo anders war.
So wie jetzt auch.
Als ich endlich draußen bin und nach meinem wohlverdienten Feierabend in meinem Auto sitze, öffne ich meine Tasche.
Jetzt kann ich endlich in Ruhe die Karte betrachten – ich hab sie heute Morgen entdeckt. Da er am Tag zuvor bei mir war, haben wir logischerweise zusammen geschlafen…und ich meine wirklich nur geschlafen. Buchstäblich also.
Und es stört mich langsam wirklich.
Ich sollte das endlich klären und heute Abend können wir es endlich.
Heute konnte ich später aufstehen, aber da Nate nicht so viel Glück hatte, ist er vor mir gegangen und wollte mich nicht wecken, also hat er eine Karte hinterlassen.
Das ist so süß. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur fixiert.
Dennoch finde ich es süß und eigentlich ist es mir egal – für mich ist er das niedlichste Wesen auf der Erde.
Okay, ich sollte mal zum Punkt kommen, oder so… Jedenfalls hat er gesagt, da wir morgen Sonntag haben und ich dann einen kurzen Urlaub antrete, können heute Abend zusammen essen gehen.
Also habe ich einen Tisch reserviert. In dem Restaurant, in dem wir schon zusammen waren – ihm hat es da sehr gut gefallen.
Daher waren wir dort schon öfter.
Und darum ist es ein Ort, an dem wir unbefangen reden können. Ich werde ihn damit überraschen – da wir normalerweise immer an einen anderen Ort gehen.
Geplant ist, dass ich ihn später vor seinem Büro abhole, obwohl die Zeit eigentlich später wäre, da ich ihm in der Mittagspause einen Brief habe zukommen lassen. So wie immer.
Und ich dem Brief stand, dass alles so wie immer sein würde.
Und ich hoffe einfach mal, dass er noch nicht Lunte gerochen hat.
Ich drehe mich zum Rücksitz.
Die Schöne rote Rose, die ich auf dem Rückweg von der Mittagspause gekauft habe und dann vor Quincy beschützen musste, liegt ganz ruhig auf der Rückbank und bringt mich nun zum Lächeln.
Ich weiß, er liebt Rosen.
Ich sehe ordentlich aus.
Ich habe den Überraschungsmoment auf meiner Seite.
Und das Restaurant ist dasselbe, in dem wir bei unserem ersten richtigen Date waren.
Kann das gut gehen? Es muss einfach.
Wenn nicht, dann weiß ich auch nicht weiter.
Ich schnappe mir noch die Anzugjacke vom Rücksitz, um meine Lederjacke dagegen zu eintauschen.
Na dann mal los.
Nur wenige Minuten Später, steht mein Auto auch schon vor der Praxis meines hübschen Doktors.
So cool wie ich es zustande bringen kann, stelle ich mich neben mein Auto und lehne mich an dessen Tür, mit der Rose in der Hand und warte – jedoch nicht lange.
Denn nu ein bisschen später, öffnet sich auch schon die Tür.
Jetzt wird es ernst. Ich gebe es nicht gern zu, aber so etwas habe ich noch nie gesagt – und schon gar nicht bei einer Person, die mir so wichtig war.
Ich bin nervös – aber es gibt keinen Weg zurück.
Nein, ich muss das jetzt durchziehen. Jetzt, oder nie.
Und ich entscheide mich für jetzt.
Als er aus der Tür tritt und sein Blick auf mich fällt, macht mein Herz einen Satz. War das wirklich eine gute Idee?
Zuerst wirkt er ein wenig verwirrt. Dann jedoch scheint er zu verstehen was los ist und lächelt mich liebevoll an, was mich ein wenig beruhigt.
„Hey.“, begrüße ich ihn direkt und mache einige Schritte auf ihn zu, um ihm die Rose zu überreichen, welche er sofort beginnt zu mustern. Wie gesagt, er liebt Rosen.
„Hey…was ist los?“, antwortet er mit einer gewissen Skepsis in seiner Stimme und auch die Augen können dies nicht verbergen. Was denn? Glaubt er etwas, ich führe etwas im Schilde? Ich doch nicht…
Ich führe ihn jedoch nur zur Tür des Beifahrersitzes meines Wagens. „Warum denn immer gleich so misstrauisch…vertrau mir einfach.“, meine ich und öffne die Autotür, um ihn auf den Sitz zu schieben.
Daraufhin steige ich selbst ein und starte den Wagen, um los zu fahren.
Die Fahrt wird nicht lange dauern, aber mit jedem Meter, werde ich nervöser. Immerhin bin ich schließlich hier, damit wir uns endlich aussprechen können.
Nicht gerade mein Spezialgebiet.
Als ich einsteige, sieht er immer noch leicht verwirrt aus – diesmal richtet sich dieser Umstand jedoch gegen mein Auto. „Was ist?“, frage ich.
„Was ist das für ein Auto?“
Wie welches…Mist! Ich könnte mich glatt schlagen, dass ich das nicht bedacht habe.
Er hat das Auto schließlich noch nie gesehen und es liegt schon ein Unterschied zwischen einem dunkelblauen VW und einem schwarzen GMC Sierra. „Der VW war nur ein Leihwagen, aus einem nahegelegenen Autohaus. Der hier ist eigentlich meiner – er war nur bisher noch in Amerika.“
„Oh…“, antwortet er nur und wirkt überrascht. „Wieso denn das? Dauert das denn so lange?“
„Das…erkläre ich dir gleich.“, sage ich direkt, als ich auch schon das Logo unseres Zielortes erblicke.
Als auch er es erkennt, hellt sich sein Blick auf. „Hier gehen wir hin? Hier waren wir doch auch-“
„Bei unserem ersten Date. Ich weiß – stell dir vor, ich war dabei.“, meine ich scherzhaft, was ihn ein wenig zum Lachen bringt.
Aber innerlich bin ich nicht so locker. Jetzt wird es wirklich ernst.
Bedingungs- und kommentarlos, lässt sich meine Begleitung einfach in das Restaurant und bis zu einem Platz führen. Alles läuft ruhig.
Ich habe sogar dafür gesorgt, dass wir denselben Platz wie damals bekommen.
Lang lebe der Gott der Planung! Nicht, dass ich tatsächlich irgendwie gläubig wäre, aber hin und wieder muss sowas mal gesagt werden.
Als wir endlich sitzen und auch bestellt haben, scheint er es nicht mehr auszuhalten – ich persönlich, könnte es ja gut und gerne ein wenig hinauszögern. „Also? Was ist los?“, fragt er neugierig.
„Was soll denn los sein?“, tue ich unschuldig.
Aber er schnaubt nur rollt mit den Augen – das tut er sonst nie. „Ach komm schon. Wir waren heute Abend ganz normal im Diner verabredet. Das wäre ein ganz normaler, gemütlicher Abend geworden. Stattdessen holst du mich ab und bringst mich hier her – wenn du dazu keinen Grund hättest, müsste ich dich leider für krank halten. Du tust alles aus einem bestimmten Grund – zumindest dann, wenn das was du tust, auch irgendwie durchdacht wirkt. Und wenn das alles hier…“ Er macht eine ausschweifende Bewegung mit den Händen, die offenbar alles um uns herum umfassen soll. „…eines ist, dann ist es durchdacht.“, meint er und lehnt sich dann nach vorn, um mich zu mustern.
„Also gut…wir sind hier aus einem bestimmten Grund. Wir müssen reden.“
Jetzt wirkt er leicht zurückgestoßen. Wahrscheinlich, weil für gewöhnlich nie etwas positives nachgelegt wird, wenn jemand ‚Wir müssen reden‘ sagt.
Ich lache kurz auf und lehne mich dann ein wenig entspannt in den Stuhl zurück. „Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes – zumindest nicht aus meiner Sicht.“
Er nickt. „Und worum geht es?“
Leicht beunruhigt wirkt er aber immer noch. Ich lehne mich wieder nach vorn um seine Hand zu ergreifen. „Eigentlich ist es nur…eine Kleinigkeit.“
„Aha.“
„Ja. Es geht um unsere Beziehung. Weißt du…es ist einfach so, das wir…nun ja, wir leben ein bisschen, als wären wir Freunde. Ich meine, ich weiß, wir sind nicht nur Freunde – aber wir führen auch keine richtige Beziehung. Wie du vorhin so treffend formuliert hast, waren wir heute Abend zu einem gemütlichen Treffen in einem Diner verabredet – das ist kein schöner Abend, den man mit seinem festen Freund verbringt. Wir lieben uns – sagen es zumindest – teilen aber kaum Zärtlichkeiten und ich weiß, ich bin größten Teils schuld daran. Oder naja…eigentlich bin ich komplett schuld daran, weil ich Angst habe, dich zu verschrecken, wenn ich dich anfasse…“, gebe ich zu.
Er wirkt ein wenig hin und hergerissen, was er davon nun halten soll.
Also spreche ich einfach weiter. „Jedenfalls…als ich damals Weg war, war ich eigentlich erst nach einer Woche in Amerika. Davor war ich noch hier. Unter anderem war ich meinen alten besten Freund wieder besuchen und habe ihn um Rat gebeten. Aber nun ist es einen Monat her, seit ich in Amerika war und mir dort dann – auch durch Lysanders Rat – endgültig eines klar geworden ist: Ich liebe dich. Und ich will dich. Das wusste ich natürlich auch vorher schon, aber richtig sicher war ich mir erst dann, als ich wieder von dir getrennt war. Du musst wissen, dass ich zwar geplant hatte hier zu bleiben, aber eigentlich war es gar nicht sicher. Es ist erst seit kurzem wirklich sicher, weil ich einen Antrag gestellt hatte, der vor kurzem dann endgültig bewilligt wurde.“, erkläre ich ihm.
Er sieht mich mit großen Augen an. „War das dann auch der Grund, weshalb dein Wagen noch dort war…?“
„Allerdings.“, stimme ich zu. Ich streichle sanft seine Hand, die ich immer noch halte. „Aber eigentlich war es die ganze Zeit kein Thema, dass sie mich abziehen würden. Es hing nur von mir ab. Und ich wusste nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn du mich abgewiesen hättest, daher hatte ich vorher nichts bestätigt. In Amerika ist mir jedoch klar geworden, dass ich nicht mehr ohne dich leben kann, auch wenn du meine Liebe nicht erwiderst – wovon ich damals noch ausgegangen bin.“
Wieder hört er nur zu und ich weiß nicht, was er denkt. Er sieht mich einfach nur an.
Oh man…
„Also…hättest du eigentlich jeder Zeit verschwinden können?“, fragt er tonlos.
Ich atme tief ein und wähle meine nächsten Worte mit Bedacht. Irgendwie habe ich Angst, noch irgendwas kaputt zu machen – so richtig, meine ich. „Ja. Aber ich bin es nicht. Und ich würde es auch nicht tun. Ich wusste nur nicht, wie es für mich sein würde, wenn du mich abgelehnt hättest. Ob ich dann noch problemlos hier leben und arbeiten hätte können.“
Ich sehe ihn nicken und fahre weiter fort. „Ich wollte nur ehrlich sein, daher habe ich es dir gesagt. Ich hätte die Verzögerung des Wagens auch auf eine Reparatur schieben können, aber das wollte ich nicht. Ich wollte ehrlich sein – jetzt und hier. Denn ich möchte gerne einen neuen Anfang starten. Wir sollten aus dieser Misch-Beziehung auf Freundschaft und Liebe eine echte Beziehung erschaffen. Wir kennen uns schon so lange – haben schon eine Menge zusammen durchgemacht. Wir müssen nicht warten…“
Ich fühle mich, als würde ich schon Stunden reden, aber es kann kaum lange gedauert haben, da wir noch nicht einmal unser Essen bekommen haben und das dauert nun auch nicht so lange.
Und all die Zeit, hat er praktisch nur zugehört und hin und wieder eine Frage, oder ein Wort eingeworfen.
Jetzt scheint er jedoch zu reagieren. Er drückt meine Hand, die seine noch immer hält und sieht kurz nach unten, nur um dann wieder hochzusehen. „Und wie sollen wir diesen Neuanfang bewerkstelligen? Ich meine, was müssen wir tun?“, fragt er.
Ich lächle ihn jedoch nur an. „Wir könnten ganz einfach damit anfangen, dass wir zusammen ziehen. Der Rest kommt mit der Zeit. Bist du einverstanden?“
Wieder wirkt er ein wenig vor den Kopf gestoßen und scheint kurz zu überlegen.
Doch der Schein trügt, denn er wendet sich sofort wieder an mich – mit einem Lächeln auf seinen schönen Lippen.
„Okay…lass es uns tun. Zusammenziehen, meine ich.“
0 Reviews:
Kommentar veröffentlichen