Castiel Voltaire
„Das musst du nicht wissen…?“, fragt er verwirrt.
Naja, das ist zwar nicht die beste Antwort, aber etwas Besseres, ist mir eben nicht eingefallen.
Er sieht mich leicht verschreckt an. Hab ich jetzt was Falsches gemacht?
Ich sehe nach unten und bemerke erst jetzt, dass ich immer noch auf ihm liege.
Schnell räuspere ich mich und stütze mich dann auf dem Bett ab, um mich hoch zu drücken.
Ich sitze nun neben ihm und sehe mich kurz um, um mir der Lage etwas besser bewusst zu werden.
Schon nach wenigen Augenblicken, wird mir eines klar…
Schlimmer, kann es jetzt nicht mehr werden.
„Also…da du jetzt wieder wach bist und alles in Ordnung zu sein scheint…kann ich ja gehen. Bis morgen Früh…“, sage ich, selbst leicht neben der Spur. Die Nacht und der vergangene Abend, beginnen auch bei mir langsam ihre Wirkung zu zeigen.
Am besten gehe ich jetzt auch schlafen.
So sollte es zumindest sein, doch als ich aufstehe und mich vom Bett entfernen will, hält mich etwas zurück.
Eine Hand an meinem Ärmel.
Mein Blick fällt wieder auf Nate, der mich seltsam ansieht.
In seinem Blick liegt Verwirrung, Schmerz…und Einsamkeit. So viel kann ich sagen.
Allerdings kann ich es nicht ganz verstehen.
Also, ja, ich weiß dass es ihm wohl kaum gut gehen kann.
Immerhin wäre er heute beinahe…
Aber warum verhält er sich dann so seltsam?
Es ist nicht so, als hätte ich noch nie ein Vergewaltigungsopfer gesehen – leider, kann ich das wirklich nicht sagen. Da kann ich meiner Berufswahl danken.
Für gewöhnlich endet es in Berührungsängsten – besonders dem Geschlecht des Täters gegenüber.
Das ist jedoch nicht immer so. Manche rasten auch ganz einfach aus. Die menschliche Psyche, ist eben nicht wirklich berechenbar.
Aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Ich würde es verstehen, wenn er ängstlich wäre.
Aber warum ist er einsam? Ich bin schließlich hier…und ich verstehe es nicht ganz.
Vielleicht sollte ich mal sowas wie eine Schulung machen, dann wäre das Ganze hier mit Sicherheit einfacher.
Ich sehe ihn weiter an. Der flehende Blick in seinen Augen, lässt meine Knie weich werden.
Ich hasse es.
Dagegen war ich noch nie sehr stark. Da kann ich nicht gewinnen.
Ich kann praktisch spüren, wie meine Entschlossenheit, den Raum wieder zu verlassen, mit erhobenen Händen aus dem Fenster springt.
„Nein- Nate, ich kann nicht hier bleiben…“, sage ich sanft und nehme seine Hand in meine, um beruhigende Kreise über seinen Handrücken zu ziehen. „Es wäre wirklich besser – für uns beide, glaub mir –, wenn ich jetzt wieder zurück ins Wohnzimmer gehe.“
Aber er sieht mich nur weiterhin so gequält an. „Bitte…“
Oh man, ich hasse es…
Nathaniel Paine
Plötzlich verändert sich sein Gesichtsausdruck.
Er war anfangs eher unnachgiebig, doch dann wurde er immer weicher.
Jetzt schließt er seine Augen und seufzt.
Wird er gehen?
Ich möchte es nicht. Aber ich kann ihn auch nicht hier halten, wenn er nicht bleiben will.
Das habe ich noch nie geschafft. Ich werde immer allein gelassen.
Er geht um das Bett herum.
Also geht er wirklich. Ich lasse meinen Kopf zurück in die Kissen fallen und schließe ebenfalls meine Augen.
Aber genervt – von mir, nicht von ihm. Ich kann nie irgendwen halten. Es ist frustrierend.
Doch dann spüre ich, wie das Bett auf einer Seite ein wenig absinkt.
Überrascht öffne ich die Augen und sehe zur Seite. Er scheint sein Hemd ausgezogen zu haben – vorher wirkte es auch eher so, als wäre er noch immer normal bekleidet gewesen.
Immer noch in Jeans, aber mit freiem Oberkörper, legt er sich auf die Freie Seite der Matratze, direkt neben mir und legt einen Arm über meine Taille.
Nur dass ich noch immer fast bis unter die Nase zugedeckt bin – ein Glück. So kann ich mein Gesicht verstecken, damit er nicht merkt, dass ich gerade ungefähr so rot geworden bin, wie es seine Haare auf der Highschool waren.
Zumindest fühlt es sich so an.
Er scheint es aber nicht gemerkt zu haben – zumindest sagt er nichts dazu, sondern schließt einfach seine Augen, schaltet das Licht aus, das offenbar einen Schalter direkt am Bett hat, was ich nicht gesehen habe, und schläft ein.
Oder tut nur so, jedenfalls schließt er die Augen und spricht nicht mehr.
Außerdem atmet er gleichmäßig und ruhig…es entspannt mich irgendwie.
All die Strapazen und all das, was heute geschehen ist, erscheint mir jetzt fast wie ein Traum.
Als wäre all das, gar nicht mir passiert. Oder in einer ganz anderen Welt.
Ich will nur nicht erwachen müssen, um zu merken, dass dieses Gefühl nicht echt ist.
Dennoch fühle ich mich ruhig.
Eben war alles noch so kalt, aber jetzt…
Ich schließe meine Augen und schmiege mich ein wenig mehr, an die wohltuende Wärme neben mir, ehe ich ein weiteres Mal in meiner Traumwelt versinke.
Diesmal jedoch, lande ich nicht in einem kalten Keller.
Ein seltsames Klirren, lässt mich zusammenzucken.
Es ist Morgen.
Ich habe ziemlich gut geschlafen. So gut, wie schon lange nicht mehr.
Sehr lange.
Ich vergrabe meinen Kopf noch ein wenig mehr in meinem Kissen und atme den fremden und doch so vertrauten Duft ein.
Mein Kissen?
Nein, das ist nicht meines. Irgendwas stimmt hier nicht – das ist nicht einmal mein Geruch.
Aber es riecht so gut… Stopp! Nathaniel – reiß dich gefälligst zusammen!
Was ist hier los? Wo bin ich hier? Das ist nicht nur nicht mein Kissen – das ist überhaupt nicht mein Bett!
Langsam erhebe ich mich und sehe mich vorsichtig um.
Edle Möbel. Ein großes Bett. Eine unglaubliche Aussicht, aus einem Panoramafenster…ein Schlafzimmer!
Castiels Schlafzimmer!
Oh mein Gott…
Wie konnte ich das vergessen?
Plötzlich wird alles wieder klar. Meine Erinnerungen kehren zurück.
Alles, was gestern geschehen ist. Alle Ereignisse und sogar die Kleinigkeiten, wie meine Theorie über Castiel Innenarchitektin.
Einen geschockten Moment lang, sitze ich einfach nur da. Immer noch unter der Decke, aber aufrecht in seinem Bett.
In seinem Bett.
In dem er mit mir geschlafen hat.
Direkt neben mir.
Ich habe in seinen Armen gelegen…wenn auch nicht so richtig. Sein Arm lag eher über mir – aber es ist im Grunde dasselbe!
Was mache ich denn jetzt nur?
Na super…allein der Gedanke an die letzte Nacht, lässt mich wieder rot anlaufen. Mein ganzes Gesicht fühlt sich heiß an.
Genau in diesem Moment, geht auch schon die Tür auf und herein kommt ein strahlender Castiel.
Ähm…strahlend? Egal wie verrückt es klingen mag, aber ‚strahlend‘, trifft es tatsächlich am besten.
Was ist hier nur los?
Er lächelt breit und scheint gut gelaunt. In seinen Händen entdecke ich ein großes Tablett – eines von der Sorte, die man auf das Bett, über seine Beine stellen kann, um einen kleinen Tisch zu improvisieren. Man nutzt es meist, für Frühstück im Bett.
Also genau das, was er hier vor zu haben scheint, da das Tablett voll gestellt ist, mit verschiedenen Lebensmitteln.
Brot, Butter, Kaffee, Marmeladen und alles Mögliche, was noch so drauf gepasst hat und sich offenbar tragen ließ.
So etwas besitze ich noch nicht einmal. Aber da ich kaum überhaupt richtig Frühstücke, brauche ich nicht darüber nachzudenken, es im Bett zu tun. Keine Ahnung wieso.
Er stellt das Tablett vor mir ab und setzt sich dann neben mich.
Das erste was er tut, ist mir eine Hand auf mein Gesicht zu drücken, dann sieht er mich besorgt an. „Du bist so rot und auch ziemlich warm…geht es dir gut? Vielleicht wegen dem ganzen Stress gestern…wenn man das als ‚Stress‘, bezeichnen kann. Vielleicht solltest du dich nach dem Frühstück noch ein bisschen hinlegen…“, meint er und wirkt leicht in Gedanken.
„Was?“, frage ich und plötzlich fällt mir wieder etwas ein.
Doch er kommt mir zuvor, in dem er bereits weiter spricht. „Du wirst jetzt erst mal was essen, klar? Du bist ohnehin viel zu dünn und du hast auch gestern Abend nichts gegessen, glaube ich. Ich habe hier eine Menge, aber wenn du irgendwas Bestimmtes möchtest, das nicht hier ist, dann musst du es nur sagen. Wenn du dann gegessen hast, wirst du dich noch ein bisschen hinlegen und schlafen – keine wiederrede.“, wiederholt er das, was er bereits vorher gesagt hat, nur etwas ausführlicher und mit mehr Nachdruck. Als könne ich ihm kaum widersprechen.
Als ich dann wieder etwas einwenden will, kommt er mir erneut zuvor. „Und mach dir keine Sorgen wegen der Praxis – ich habe schon dafür gesorgt, dass sie heute geschlossen bleibt. Jeder braucht mal eine Auszeit. Deine Patienten, die dringend jemanden brauchen, wurden für heute an jemand anderen weitergeleitet.“, scheint er mich beruhigen zu wollen.
„Aber…wie kann das sein?“, kommt es verwirrt von mir.
Woher will er irgendetwas über meine Patienten wissen?
Und seit wann können Fremde mich krank melden? Wer würde das denn bitte ernst nehmen? Er ist ein Fremder – allenfalls ein Patient!
„Na, ganz einfach. Ich habe angerufen und es arrangiert. Das war alles.“
Die einzige, die heute Morgen da gewesen sein konnte…war Emily.
Die Emily, die mich immer so komisch ansieht. Es ist irgendwie furchterregend.
Aber warum würde sie das tun? Gerade sie, die so extrem, intelligent ist – und ja, das ist sie wirklich – und die als einzige die Termine von Castiel, alias Damon, angenommen hat, sollte eigentlich in der Lage sein, ihn als einen meiner Patienten zu erkennen.
Auch wenn er eigentlich kein Patient ist, sollte sie ihn doch für einen halten – wie kann er mich dann bei ihr krank gemeldet haben?
Irgendetwas, ist hier mehr als faul.
„Nein…das kann nicht sein. Warum würde Emily eine Entschuldigung von dir Akzeptieren? In ihren Augen, bist du ein Patient…“, frage ich erneut.
„Naja, nicht so ganz…du erinnerst dich sicher noch an diese Geschichte damit, dass ich immer gut über dich informiert war, richtig?“, wirft er nebenbei ein, während er Kaffee in eine Tasse gießt.
Die verschlafenen, verwirrten Rädchen in meinem Kopf, beginnen langsam wieder, ihr Tagewerk anzutreten und langsam, wird mir klar, was hier läuft.
Das kann doch nicht sein Ernst sein.
„Du kennst Emily?“, sage ich. Aber eigentlich, ist es weniger eine Frage, als eine Feststellung.
„Naja, irgendwer musste dich ja für mich ausspähen und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich bin eben beim FBI…da gewöhnt man sich sowas an.“, versucht er irgendwie zu erklären.
„Sowas? Was meinst du damit?“, kommt es wieder von mir.
„Was schon…Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Es hat sich bisher meist bewehrt…“, gibt er von sich, als wäre es das normalste der Welt, dass er eine Freundin, oder was auch immer, hat, die mich für ihn stalked, während er keine Zeit, oder Möglichkeit dazu hat.
Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.
Wo bin ich hier eigentlich gelandet?
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