Nathaniel Paine
Völlig verwirrt und irgendwie fertig, packe ich nur noch
mein Zeug und verlasse das Büro.
Was war hier eben los? Was hat sie gemeint?
Was wollte sie von mir?
…tze.
Als ob ich das nicht wüsste.
Natürlich kann ich all diese Fragen selbst beantworten.
Aber ich traue mich nicht.
Dennoch ist klar, was sie gemeint hat. Es sollte nicht
sein. Ich und Castiel. Wir passen wahrscheinlich gar nicht zusammen.
Wieso sollte ich auch glücklich sein?
Es hat ja doch keinen Sinn.
Als ich gerade auf der Straße bin, direkt zu unserem
Apartment führt, höre ich erneut mein Telefon klingeln.
Mit einem Seufzen stecke ich es schnell in die dafür
vorgesehene Halterung und schalte den Lautsprecher ein. „Ja, Cas?“
„Hey Baby, ich hab schon die ganze Zeit versucht, dich zu
erreichen.“
„Ich weiß, ich hab‘s gemerkt…“, gebe ich leise zu.
„Ich weiß, ich hab‘s gemerkt…“, gebe ich leise zu.
„Wirklich? Warum bist du nicht ran gegangen?“
„Ich…war beschäftigt. Ist egal. Was gibt es denn so
Wichtiges?“, lenke ich schnell ein, damit er nicht anfängt mich professionell
auszufragen.
„Ähm, okay? Ich denke, du hast deine Schlüssel. Reicht
der Sprit noch?“
„Ja, gerade so. Wolltest du mich nur das fragen?“
Er lacht kurz auf. Selbst über das Telefon macht mein
Herz dabei einen Satz. „Nein, nicht wirklich. Ich wollte dir mitteilen, das
Lysander und EJ meinten, wir sollten noch schnell etwas erledigen. Wir kommen
dann getrennt zum Restaurant – du weißt schon, unser Lieblingsrestaurant. Mach
dich einfach in Ruhe fertig und komm heute Abend da hin. Wir werden dort auf
dich warten.“
Etwas mehr als verdutzt, lausche ich seinen Worten,
brauche aber einen langen Moment, ehe ich sie wirklich verstehe. „Natürlich…“,
antworte ich nur, etwas tonlos. „Wir sehen uns dort. Bis heute Abend.“
Ich weiß, er wollte noch etwas sagen, doch ich lege auf.
Meine Gefühle fahren Achterbahn.
Und jetzt komme ich nach Hause und bin allein. Nicht
gerade gute Aussichten.
Aber ich kann es schon verstehen, dass Leute wie sie
nicht mit einem Langweiler wie mir herumhocken möchten. Dennoch…
„Doofer Castiel…“, murmle ich zu mir selbst und bereue es
im selben Moment.
Wie kindisch…
Castiel Voltaire
Etwas verwirrt sehe ich hinter meinem Nathi her, wie er
einfach durch die Tür verschwindet und ich kann nur verdutzt dastehen.
Hat er mit gerade meine Schlüssel geklaut? Ich prüfe.
Ja, er hat mir die Schlüssel geklaut.
„Alles klar…“, stelle ich langsam fest, als ich versuche,
das eben erlebte ein wenig zu ordnen.
Dieser Tag ist einfach nur…verrückt.
Von einem unsanften Gefühl an meinem Arm, werde ich
jedoch rasch aus meinen Gedanken gerissen. „Hey…aua…HEY“ Keine Chance. „Aua-
Jetzt hör doch mal auf, du Behinder-AUA-verdammt, ich bin auf irgendwas
getreten, jetzt gib doch mal Ruhe neben mir! Autsch!“, schreie ich fast,
zugegebenermaßen unkontrolliert, während meine angeblich beste Freundin munter
auf mich eindrischt.
„Cas, du bist so ein Schisser! Wieso hast du es nicht
jetzt getan?! Es hätte doch alles gestimmt!“
„Nein! Das hätte es eben nicht – hier? Jetzt? Neben euch?
Nach heute Morgen, kann er dich ja nicht einmal richtig ansehen, ohne dabei rot
zu werden wie eine Tomate!“
Mit einem genervten Seufzen, verdreht sie nur die Augen
und wendet sich in Richtung Eingangstür. „Lys, jetzt sag doch-“, fängt sie
quengelnd an, unterbricht sich jedoch selbst und sieht dann verwirrt und mit
zusammengezogenen Augenbrauen in Lysanders Richtung – Pardon: Die Richtung, in der
er sich eben noch befunden hat. „Wo ist er hin?“, hängt sie irritiert an.
„Er war doch eben noch da…“
„Ja… Lysander?“, ruft sie der offenen Tür entgegen.
Und tatsächlich – nur ein paar Sekunden später, steht er
auch schon wieder im Rahmen.
„Wo warst du?“, frage ich matt.
„Ich hatte keine Lust in euren Streit mit hinein gezogen
zu werden – also bin ich ihm aus dem Weg gegangen…“, erklärt er sachlich und
seufzt am Ende.
„Du…wie kannst du Streitereien aus dem Weg gehen wollen?!
Du bist Lehrer, verdammt!“ Meine
schockierte Reaktion scheint ihn jedoch zu verwirren.
„Wieso? Ich bin kein Klassenlehrer – ich unterrichte nur
Philosophie, Englisch und Musik, das weißt du aber…“
„Ja, aber…“, beginne ich – werde aber wiedermal
unterbrochen.
Und wieder von meiner lieben Freundin EJ. „Jetzt lenk
nicht ab, er ist ja wieder aufgetaucht. Du wirst das erledigen und zwar noch
heute – sonst schwöre ich bei Gott,
ich werde dir was antackern und du willst gar nicht wissen wie! Verstanden?“, droht sie mir mit zusammengekniffenen Augen und
in einem Ton, den ich wirklich nicht oft von ihr höre.
O…kay… Schlecht. Sehr, sehr schlecht.
Ich nicke einfach mal und sehe sie an, während sie sich
wieder in ihre normale Haltung zurückbegibt.
Dann fängt sie plötzlich an zu grinsen. „Gut…sehr gut.
Und ich habe auch schon einen Plan.“
Das ist jetzt allerdings auch nicht so gut.
„Du wirst jetzt Nathaniel anrufen – er wird ja wohl ein
Handy besitzen.“, trägt sie mir auf und duldet offenbar keinen Widerspruch.
Warum habe ich nur
so ein mieses Gefühl bei der Sache…?
Nathaniel Paine
Wie verabredet – in einer SMS, die ich danach noch bekommen
habe – fahre ich einige Stunden nach dem ich wieder zu Hause war, in Richtung
Restaurant.
Mir geht es jetzt besser – ein gutes Buch und ein Tee
haben dazu nicht wenig beigetragen. Ich bin weniger verwirrt und meine Gedanken
halbwegs geordnet.
Ich habe auch nicht mehr das kindische Bedürfnis zu
schmollen, weil Castiel mich einfach allein gelassen hat, um mit seinen
Freunden weg zu gehen.
Ich meine, wer weiß, was sie noch zu tun hatten?
Vielleicht hatte es ja mit dem Kästchen in der Kommode zu tun, das
wahrscheinlich mit seiner Arbeit zu tun hatte?
Das war nämlich weg.
Nun ja, ich muss gestehen, das kindische Verhalten hielt
noch einen Moment vor, als ich zu Hause ankam, also sah ich in das Fach in das
er die Schachtel vor meinen Augen gelegt hat.
Vielleicht liegt die Box jetzt aber auch einfach nur an
einem anderen Ort – vielleicht sogar einfach in einer der verschlossenen Schubläden.
Aber das soll mir egal sein. Es hat nichts mit mir zu
tun.
Dann kommt auch schon das Schild in Sicht, das mir sagt
ich solle rechts einlenken, damit ich zu unserem Restaurant komme.
Ich frage mich, worüber wir uns wohl unterhalten wollen?
Ich habe nun wirklich nicht viel mit Lysander und Emily
zu tun – abgesehen davon, das eine so etwas wie meine Sekretärin ist und ich
daher eigentlich fast täglich irgendetwas mit ihr zu tun hatte, als ich mich
noch fast nur auf meinen Job fixiert habe.
Ich fahre bei dem Restaurant vor und ein komischer Kerl
im Anzug kommt auf mich zu. Der Parkservice.
Das hier ist ja kein Billigladen. Genau genommen, wundert
es mich unheimlich, dass sie so unglaublich kurzfristig noch einen Tisch
ergattern konnten – das ist manchmal schon über eine Woche vorher unmöglich.
Man muss einfach ewig warten.
Aber ich habe das seltsame Gefühl, Emily hat ihre Finger
da im Spiel. Irgendwie schafft sie es, immer alles zu bekommen, was sie will.
Es ist manchmal wirklich unheimlich – ich will gar nicht wissen, wie sie es
schafft.
Auch wenn ich ein wenig neugierig bin – das Unbehagen
siegt in dieser Hinsicht.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl in der Magengrube, von
dem ich nicht weiß, wo es herkommt, betrete ich dass schlichte, aber doch recht
edle Gebäude.
Langsam gehe ich den Gang entlang, bis ich an einem Mann
hinter einem kleinen Podium ankomme. „Eine Reservierung für vier Personen, auf
den Namen Voltaire.“, sage ich
deutlich.
Doch der Mann sieht mich nur verwirrt an. „Tut mir leid,
Sir, so eine Reservierung haben wir hier heute nicht.“, antwortet er
freundlich, lässt mich damit jedoch nur komplett verwirrt zurück.
„Moment, das kann nicht sein. Da muss ein Irrtum
vorliegen. Der Name ist Voltaire –
wie der Philosoph.“ Doch er sieht mich nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an,
woraufhin ich seufze. „V-O-L-T-A-“, beginne ich damit, den Namen zu
buchstabieren, werde von meinem Gegenüber jedoch mit einer Handbewegung
unterbrochen.
„Ich weiß, wie man das schreibt, Sir. Es ist auch nicht
so, dass es keine Reservierung auf diesen Namen gibt. Es gibt eine – ein Castiel Voltaire steht hier. Sie müssen
demnach Paine, Nathaniel sein, oder?“
Jetzt ist es an mir, die Augenbrauen zusammenzuziehen.
Was wird hier gespielt? Hat er nicht eben gesagt, dass er keine Reservierung
vorliegen hat? „Aber sie sagten doch, es gäbe keine…“
„Ich sagte lediglich, es gäbe heute Abend keine
Reservierung wie sie sie beschrieben haben.“, stellt er fest.
Langsam fühle ich mich wirklich ein wenig…auf den Arm genommen.
„Entschuldigung, aber ich verstehe nicht…“
„Sie sagten, eine ‚Reservierung für vier Personen‘,
richtig?“, hakt er nach.
„Richtig. Was auch sonst?“
„Weil wir hier nur eine Reservierung unter diesem Namen
haben - diese ist aber nur für zwei Personen. Soll Sie nun jemand zu diesem
Tisch bringen, Sir?“
Ich mache den Mund auf, doch da nichts herauskommt,
schließe ich ihn wieder. Und wieso lächelt dieser Mann so seltsam? Als wüsste
er viel mehr als ich.
Und Himmel, wahrscheinlich tut er das sogar – denn ich
selbst bin gerade nicht in der Lage, hier auch nur ein Wort an das Nächste zu
Reihen und einen Sinn dahinter zu erkennen.
Ich meine, eigentlich ist es doch ganz einfach? Es gibt
nur noch zwei Personen…
…nein, das
macht überhaupt keinen Sinn! Wir
sollten zu viert sein, oder nicht?
Hat er nicht vorhin noch gesagt, es wurde reserviert?
Warum nur für zwei?
Vorhin hieß es doch sie
würden hier auf mich warten.
Etwas mit meinem Latein am Ende, nicht ich einfach,
obwohl mir eher nach Kopfschütteln zumute ist, da der etwas kleine Mann vor
mir, schließlich noch immer auf eine Antwort wartet.
Wahrscheinlich ist den anderen beiden klar geworden, das
man mit mir nicht reden kann, also haben sie den Tag mit Cas verbracht und sind
nach Hause gegangen. Wer würde es ihnen denn schon verübeln können?
Seufzend folge ich also einer Dame, die nun zu mir
geschickt wird, um mich zum richtigen Tisch zu begleiten. „Hier, Sir.“, sagt
sie, das Klemmbrett an ihre Brust drückend und mit einem breiten Lächeln auf
dem Gesicht.
„Entschuldigung, wo ist meine Begleitung?“, frage ich die
Rothaarige neben mir, als ich den leeren Tisch vor mir betrachte.
Weiter lächelnd, sieht sie mich an. „Der nette,
gutaussehende Herr?“ Sie lacht kurz hell auf. „Der ist kurz auf die Terrasse
gegangen. Sah aus, als würde er über etwas Wichtiges nachdenken müssen.“, klärt
sie mich auf, sieht mich dann jedoch fragend an. „Wenn Sie wollen, kann ich ihm
bescheid geben, dass Sie nun eingetroffen sind.“
„Das…wäre sehr nett, vielen Dank.“, gebe ich mit einem
sanften Lächeln zurück.
Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie erinnert sie mich an
jemanden.
Und liegt es an mir, oder war sie gerade irgendwie
nervös? Oder aufgeregt?
Keine Ahnung, aber irgendetwas an ihrem Verhalten, stört
mich ein wenig…
Doch diese Gedanken sind schnell vergessen, als ich sehe,
wie mein Geliebter durch die Terrassentür in den Saal kommt und sich langsam zu
mir setzt. Der Blick ist gesenkt.
Auch er wirkt nervös.
Werde ich paranoid, oder werden die Menschen um mich
herum immer seltsamer?!
Er sieht mich jetzt das erste Mal an. In seiner Hand
erkenne ich das Kästchen von heute Vormittag.
Irgendwie habe ich ein beißendes Gefühl in der
Magengegend.
Will er Schluss machen? Oder etwas ähnlich Schlimmes?
…nein, Letzteres wohl eher nicht, denn ich glaube, es
gäbe nichts Schlimmeres für mich.
„Was geht hier eigentlich vor sich?“, rutscht es mir bereits
heraus, ehe ich etwas dagegen tun kann.
Mein Partner jedoch, lässt nur seinen Blick durch den
Raum streifen. „Also…ich weiß einfach nicht, wie man das macht…“, sagt er und
klingt dabei leicht verzweifelt. „EJ sagte, ich solle bis nach dem Essen
warten. Aber…dann habe ich wahrscheinlich keinen Mut mehr dazu…“
Verwirrt blinzle ich ihn an. „Was? Was denn, Cas?“,
fordere ich zu erfahren. „Du machst mir ehrlich ein wenig Angst. Das hier war
sicher geplant, nicht wahr? Immerhin hättest du sonst nicht nur für Zwei
reserviert. Und wenn du das tust, hast du immer etwas Wichtiges zu sagen. Was
ist los?“, sprudelt meine ganze Nervosität aus mir heraus und ich hoffe einfach
nur, es haben nicht zu viele Leute mitbekommen.
Er sieht mich verdutzt an. Sagt jedoch nichts.
Sondern steht einfach nur auf, nimmt mich an der Hand und
zieht mich mit sich auf die Terrasse, die bereits im Schatten liegt, da die
Sonne untergegangen ist.
Am äußeren Rand, etwas abgelegen und wo wir eher allein
sind, kommen wir dann letztendlich zum stehen und er dreht sich zu mir um, um
nach meinen Händen zu greifen…und mich einfach nur anzusehen.
Die Box hat er noch in der Hand. Allerdings ist sie viel
kleiner als zuvor. Erst jetzt wird mir klar, dass es eine andere ist – das Design
ist lediglich dasselbe.
Diese Situation ist einfach schräg. „Was ist?“, will ich
erneut wissen.
Doch ehe ich irgendetwas Weiteres sagen, oder auch nur
denken kann, tritt er einen Schritt zurück. Er tritt zurück, aber nur, um sich
dann auf ein Knie fallen zu lassen und an der Box in seiner Hand
herumzufummeln, ehe er sie endlich aufbekommt.
Ich sehe mich um. Niemand zu sehen. Was soll das hier?
Ist das eine Halluzination? Bin ich vielleicht über meinem Buch eingeschlafen
und träume? Es wäre nicht das erste Mal, das mir das passiert ist…doch so etwas
habe ich noch nie geträumt.
Er hält mir die geöffnete Box entgegen, während mein
Magen und mein Herz Purzelbäume schlagen und ich kurz vor einem
Nervenzusammenbruch stehe, als ich sehe, was sich in der Box befindet.
Ich fühle mich, als sei ich im falschen Film, als er auch
noch anfängt zu reden. „Also…ich weiß, es ist etwas früh…aber wir kennen uns
schon so lange – ich liebe dich schon
so lange…also…“ Er lacht kurz auf. „Und ich dachte, ich halte mal das
Versprechen gegenüber deinem Vater…“, dann stockt er und holt einmal tief Luft,
ehe er mir direkt in die Augen sieht. „Nathaniel Richard Paine – willst du mich
heiraten?“
Oh mein Gott…
Ich glaube, ich
muss mich übergeben…
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